Ist „Ossi“ eine ethnische Diskriminierung ?
Ost- und Westdeutsche verfügen über keine unterschiedliche ethnische Herkunft. Eine Benachteiligung Ostdeutscher im Bewerbungsverfahren stellt keine entschädigungspflichtige Benachteiligung wegen der ethnischen Herkunft dar. Auch wenn die Bezeichnung als „Ossi“ diskriminierend gemeint sein oder so empfunden werden kann, meinte das Arbeitsgericht Stuttgart in seinem Urteil vom 15.4.2010.
Der Fall:
Die Bewerberin stammt aus der ehemaligen DDR (Ostberlin) und war vor der Wende in die Bundesrepublik übergesiedelt. Sie hatte sich bei einem Stuttgarter Unternehmen erfolglos auf ein Stellenangebot beworben. Auf dem zurückgesendeten Lebenslauf befand sich der handschriftliche Vermerk: „(–) Ossi“.
Die Bewerberin sah hierin einen Hinweis darauf, dass sie wegen ihrer Herkunft aus Ostdeutschland abgewiesen worden war, und verlangte eine Entschädigung. Die Firma, die nach eigener Darstellung mehrere Mitarbeiter aus den neuen Bundesländern beschäftigt, vertrat die Auffassung, dass Ostdeutsche keine Ethnie im Sinn des Allgemeinen Gelichbehandlungsgesetzes darstellten. Im Übrigen sei die Stellenabsage nicht wegen der Herkunft der Bewerberin erfolgt.
Die Klage hatte vor dem Arbeitsgericht Stuttgart keinen Erfolg, rechtskräftig ist das Urteil aber noch nicht. Die Bewerberin kann dagegen noch Berufung zum Landesarbeitsgericht einlegen.
Die Begründung des Gerichts:
Die Bewerberin hat gegen die Firma keinen Anspruch auf Entschädigung. Das Gesetz verbietet lediglich Benachteiligungen wegen der Rasse, der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität. Keines dieser Diskriminierungsmerkmale ist hier erfüllt. Es liegt insbesondere keine Benachteiligung wegen der ethnischen Herkunft vor.
Die Gemeinsamkeit ethnischer Herkunft kann sich in Tradition, Sprache, Religion, Kleidung oder in gleichartiger Ernährung ausdrücken. Selbst wenn der Begriff „Ethnie“ dahingehend zu verstehen wäre, dass damit Populationen von Menschen gemeint sind, die durch ihre Herkunft, ihre Geschichte, ihre Kultur, ihre Verbindung zu einem spezifischen Territorium und durch ein geteiltes Gefühl der Solidarität verbunden sind, so wird die Bezeichnung als „Ossi“ dem Begriff der Ethnie als Gesamtgefüge dieser Elemente nicht gerecht.
Bei Ostdeutschen liegt allenfalls eine gemeinsame Verbindung zum ehemaligen DDR-Territorium vor. An weiteren eine Ethnie bildenden Merkmalen fehlt es jedoch – zumal die DDR nur wenig mehr als eine Generation, nämlich 40 Jahre lang, eine von der Bundesrepublik unterschiedliche Entwicklung genommen hat. Ostdeutsche haben daher gegenüber Westdeutschen keine eigene ethnische Herkunft.