„Dann bin ich eben krank!“
Reicht diese Drohung zur Kündigung?
Der Fall:
Die Vorgesetzte wies eine Arbeitnehmerin an, vom nächsten Arbeitstag an die Arbeiten am Arbeitsplatz einer erkrankten Kollegin durchzuführen. Die Arbeitnehmerin wandte darauf ein, sie habe Schmerzen, die sie an dieser Arbeit in der Registratur hindern würden. Außerdem erwiderte die Arbeitnehmerin: “Dir ist schon klar, dass ich mich dann krankschreiben lasse?“ Tatsächlich hat die Arbeitnehmerin zwei Tage in der Registratur gearbeitet, dann aber eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für einen Zeitraum von zwei Wochen vorgelegt. Die Arbeitgeberin kündigte das Arbeitsverhältnis außerordentlich fristlos.
Etwa einen Monat vorher war die Arbeitnehmerin schon einmal krankgeschrieben worden. Für die zweite Erkrankung legte die Arbeitnehmer keine Folgebescheinigung vor, sondern eine Erstbescheinigung. Später stellte sich heraus, dass die Ärzte insgesamt wegen eines schmerzenden Arms (sog. Tennisarm) krankgeschrieben hatten.
Die Entscheidung:
Sowohl das Arbeitsgericht Köln als auch das Landesarbeitsgericht Köln gaben der Kündigungsschutzklage der Arbeitnehmerin statt. Die Kündigung war unwirksam.
Im März 2009 hatte sich das Bundesarbeitsgericht mit einem ähnlichen Fall befasst. Ein Arbeitnehmer hatte erklärt:“ Dann sei er eben krank!“, wenn er den beantragten Urlaub nicht erhalte. Tatsächlich legte er eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für diesen Zeitraum vor (Bundesarbeitsgericht 12. März 2009, 2 AZR 251/07). Auch hier hielt das Bundesarbeitsgericht das Recht des Arbeitgebers zur Kündigung für fraglich und wies den Fall zur weiteren Aufklärung an die Instanzgerichtsbarkeit zurück.
Die Gerichte sind der Ansicht dass die Ankündigung einer zukünftigen, im Zeitpunkt der Ankündigung nicht bestehenden Erkrankung grundsätzlich, prinzipiell, „an sich“ geeignet ist, das Recht zur außerordentlichen Kündigung des Arbeitgebers auszulösen, wenn der Arbeitnehmer das androht, um
- um einer rechtmäßigen Weisung des Arbeitgebers zu widersprechen und
- er tatsächlich nicht krank ist.
Obwohl der Arbeitnehmer während des Ausspruchs der Drohung offensichtlich nicht krankgeschrieben ist verlangt die Rechtsprechung trotzdem eine Abwägung.
Zwar:
Der Arbeitnehmer darf dem Arbeitgeber keine ungerechtfertigten Nachteile androhen. Versucht ein Arbeitnehmer, einen ihm nicht zustehenden Vorteil durch eine solche unzulässige Drohung zu erreichen, so verletzt er hierdurch seine arbeitsvertragliche Rücksichtnahmepflicht. Weist ein objektiv erkrankter Arbeitnehmer den Arbeitgeber etwa nach Ablehnung eines kurzfristig gestellten Urlaubsgesuchs darauf hin, „dann sei er eben krank“, schließt dies zwar eine Pflichtverletzung des Arbeitnehmers nicht von vornherein aus.
Auch bei tatsächlich bestehender Erkrankung ist es dem Arbeitnehmer aufgrund des Rücksichtnahmegebots verwehrt, die Krankheit und ein sich daraus ergebendes Recht, der Arbeit fern zu bleiben, gegenüber dem Arbeitgeber als „Druckmittel“ einzusetzen, um den Arbeitgeber zu einem vom Arbeitnehmer gewünschten Verhalten zu veranlassen. Zudem verlangt die Rücksichtnahmepflicht, den Arbeitgeber nicht im Unklaren darüber zu belassen, ob der Arbeitnehmer berechtigterweise von seinen sich aus einer Erkrankung ergebenden Rechten Gebrauch macht.
Aber:
Dagegen ist der tatsächlich krankheitsbedingt arbeitsunfähige Arbeitnehmer nicht zur Arbeitsleistung verpflichtet. War der Arbeitnehmer im Zeitpunkt der Ankündigung eines künftigen, krankheitsbedingten Fehlens bereits objektiv erkrankt und durfte er davon ausgehen, -etwa auch am Tag des begehrten Urlaubs- (weiterhin) wegen Krankheit arbeitsunfähig zu sein, kann nicht mehr angenommen werden, sein fehlender Arbeitswille und nicht die bestehende Arbeitsunfähigkeit sei Grund für das spätere Fehlen am Arbeitsplatz. Es kann dann nicht ohne Weiteres von einer erheblichen, eine außerordentliche Kündigung rechtfertigenden Pflichtverletzung ausgegangen werden.
Kommentar:
Der Arbeitgeber muss im Ergebnis beweisen, dass der Arbeitnehmer seine Erkrankung dem Arzt (!) vorgetäuscht hat. Das ist in der Regel unmöglich. Die Benutzung in der grammatischen Form des Futur bei der Androhung von Krankheit muss nach dieser Ansicht ausreichen, das Vertrauen in den fairen, sachlich orientierten Fortbestand des Arbeitsverhältnisses zu erschüttern. Auch die Formulierung, dass man sich “krankschreiben lasse“ bringt zum Ausdruck, dass die ärztliche Entscheidung nicht nach medizinischem Ermessen getroffen werden soll, sondern nach dem Willen des Patienten. Nach diesseitiger Überzeugung stellt sich nach einer solchen Drohung die Frage nur noch in seltenen Ausnahmefällen, ob der Arbeitnehmer späterhin wirklich krank war.
Landesarbeitsgericht Köln Urteil vom 29. Januar 2014 (Az. 5 Sa 631/13)