Gesetz über Mindestarbeitsbedingungen wird aufgewertet
Es wird manchen überraschen: Bereits seit 1952 gibt es ein Gesetz über die Festsetzung von Mindestarbeitsbedingungen. Allerdings zeigte es keine relevante Wirkung. Das soll sich nach dem Willen der Bundesregierung nun ändern. Sie legte am 16.07.2008 einen Regierungsentwurf zur Novellierung vor.
Das Gesetz über die Festsetzung von Mindestarbeitsbedingungen richtete sich bisher vor allem an die Tarifvertragsparteien. Deren Flächentarifverträge und das Industrieverbandsprinzip liessen kaum Nischen für die Anwendung. Es gab nur wenige tarifferne Branchen. Mindestarbeitsbedingungen liessen sich auch erreichen, wenn der Bundesarbeitsminister Tarifverträge als allgemeinverbindlich erklärte. Durch das Entsendegesetz können zudem mit einer mehr aussenwirtschaftlichen Motivation, nämlich zur Verhütung von Lohndumping, ebenfalls Tarifverträge für allgemeinverbindlich erklärt werden, sodass die Beschäftigung ausländischer Arbeitnehmer durch ausländische Arbeitgeber im Inland Mindestlöhnen unterliegt. Die Tariflandschaft hat sich verändert. Für tarifferne Branchen, in denen sich Mindestlöhne nicht über den Weg allgemeinverbindlicher Tarifverträge durchsetzen lassen, sollen die Regelungen des überarbeiteten Mindestarbeitsbedingungengesetz (MiArbG) gelten.
Das Gesetz soll künftig als Grundlage für Mindestarbeitsentgelte in Wirtschaftszweigen gelten, in denen es entweder keine Tarifverträge gibt oder nur eine Minderheit von Arbeitnehmern tarifgebunden beschäftigt wird.
1. Festsetzung zwingender Mindestlöhne
Der Gesetzesentwurf ermöglicht die Festsetzung von Mindestentgelten in Wirtschaftszweigen, in denen bundesweit die an Tarifverträge gebundenen Arbeitgeber weniger als 50 % der unter den Geltungsbereich dieser Tarifverträge fallenden Arbeitnehmer beschäftigen. Das bislang normierte zusätzliche Kriterium der Erforderlichkeit wird ebenso aufgehoben wie die Möglichkeit zur Festsetzung sonstiger Mindestarbeitsbedingungen.
Die Festsetzung der Mindestlöhne erfolgt durch Rechtsverordnung der Bundesregierung auf Vorschlag des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales. Dieses hat für inländische wie ausländische Arbeitgeber zwingende Wirkung und verdrängt auch ungünstigere tarifvertragliche Regelungen. Es gilt hierzu allerdings eine Übergangsregelung: Aus Gründen des Vertrauensschutzes räumt diese ungünstigeren Entgeltregelungen eines vor dem 16.07.2008 geschlossenen Tarifvertrages einen Geltungsvorrang ein. Gleiches gilt für einen Tarifvertrag, mit dem die Tarifvertragsparteien einen vor dem 16.07. geschlossenen Tarifvertrag ablösen oder diesen nach seinem Ablauf durch einen Folgetarifvertrag unmittelbar ersetzen.
Die festgesetzten Mindestarbeitsentgelte sind im Hinblick auf ihre Beschäftigungswirkungen, insbesondere auf die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung sowie die Schaffung angemessener Arbeitsbedingungen, fünf Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes zu überprüfen.
2. Einrichtung eines ständigen Hauptausschusses
Zentrale Bedeutung bei der Festsetzung von Mindestentgelten kommt dabei dem Hauptausschuss zu. Dieser wir dauerhaft eingerichtet und stellt durch Beschluss fest, ob in einem Wirtschaftszweig soziale Verwerfungen vorliegen und Mindestarbeitsentgelte festgesetzt, geändert oder aufgehoben werden sollen. Bei seinen zu begründenden Beschlüssen hat der Hauptausschuss die sozialen und ökonomischen Auswirkungen zu berücksichtigen. Ein entsprechender Beschluss des Hauptausschusses bedarf der Zustimmung des BMAS. Die Bundesregierung, die Spitzenorganisationen der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer sowie die Landesregierungen können dem Hauptausschuss unter Angabe von Gründen Vorschläge für die Festsetzung, Änderung oder Aufhebung von Mindestarbeitsentgelten unterbreiten.
Der Hauptausschuss ist als ständiges weisungsfreies Gremium einzurichten und besteht aus einem Vorsitzenden und sechs weiteren ständigen Mitgliedern, die von der Bundesregierung auf Vorschlag des BMAS ernannt werden. Die Spitzenverbände von Arbeitgeber und Arbeitnehmern haben dabei ein Vorschlagsrecht für jeweils zwei Mitglieder. Für jedes Mitglied ist ein Stellvertreter zu ernennen. Mitglieder und Stellvertreter müssen in der Lage sein, umfassend die sozialen und ökonomischen Auswirkungen von Mindestarbeitsentgelten einzuschätzen
3. Entwurf der Mindestlohn-Verordnungen durch Fachausschüsse
Für die Wirtschaftszweige, für die nach dem Beschluss des Hauptausschusses Mindestlöhne festgesetzt werden sollen, errichtet das BMAS dann Fachausschüsse, denen die Festsetzung von Mindestlöhnen per Beschluss obliegt. Der Fachausschuss kann bei der Festlegung nach Art der Tätigkeit, Qualifikation der Arbeitnehmer und Regionen differenzieren. Er prüft im Rahmen einer Gesamtabwägung, ob seine Entscheidung insbesondere geeignet ist, angemessene Arbeitsbedingungen zu schaffen, faire und funktionierende Wettbewerbsbedingungen zu gewährleisten und sozialversicherungspflichtige Beschäftigung zu erhalten.
Der Beschluss eines Fachausschusses bildet dann die Grundlage einer Rechtsverordnung. Deren Erlass bleibt allerdings im Ermessen der Bundesregierung und setzt einen entsprechenden Vorschlag des BMAS voraus; der Beschluss des Fachausschusses kann jedoch nicht mehr inhaltlich abgeändert werden.
Dem Bund steht nach dem Grundgesetz eine konkurrierende Gesetzgebungskompetenz für das Arbeitsrecht zu. Es ist davon auszugehen, dass der Regierungsentwurf vom 16.Juli 2008 im Wesentlichen „durchgeht“.