Wer die Hölle fürchtet, kennt das Büro nicht

Kunstfreiheit oder Mobbing?

Der Fall:

Ein Sachbearbeiter hat einen so genannten Büro-Roman verfasst, der den Titel trägt „Wer die Hölle fürchtet, kennt das Büro nicht“. Der Roman ist aus der Perspektive des Ich-Erzählers „Jockel Beck“ geschrieben. Im Buch wird dem (dort so genannten) Arbeitnehmer „Hannes“ unterstellt, dieser konsumiere Rauschmittel („hat alles geraucht, was ihm vor die Tüte kam“). Über die Arbeitnehmerin „Fatma“ heißt es im Buch, sie „erfülle so manches Klischee, was man allgemein von Türken pflegt: ihre krasse Nutzung der deutschen Sprache und auch ihr aufschäumendes Temperament. Leider steht ihr Intellekt genau diametral zu ihrer Körbchengröße“. Der Junior-Chef „Horst“ wird im Buch folgendermaßen beschrieben: „Er ist ein Feigling! Er hat nicht die Eier, jemandem persönlich gegenüberzutreten, dafür schickt er seine Lakaien“.

Der Arbeitnehmer bot das Buch Ende Oktober 2010 während der Arbeitszeit Kollegen zum Kauf an. Die Arbeitgeberin sprach am 10. November 2010 eine fristlose Kündigung aus. Der Betriebsrat hatte zuvor dieser Kündigung zugestimmt.

Der 51 Jahre alte Autor ist seit 1998 in der Abteilung Vertrieb/Verkauf tätig. Er ist Mitglied des Betriebsrats. Die Arbeitgeberin stellt Küchenmöbel her und beschäftigt über 300 Arbeitnehmer.

Die Meinungen:

Die Firma  stützt die Kündigung darauf, dass der Roman beleidigende, ausländerfeindliche und sexistische Äußerungen über Kollegen und Vorgesetzte enthalte. Das Buch weise deutliche Parallelen zum Unternehmen und dort tätigen Personen auf. U. a. die Romanfiguren „Hannes“, „Fatma“ und „Horst“ seien als tatsächlich existierende Personen zu identifizieren. Durch den Roman sei der Betriebsfrieden erheblich gestört worden. Verschiedene Arbeitnehmer hätten sich persönlich angegriffen gefühlt, eine Mitarbeiterin habe sich in ärztliche Behandlung begeben müssen.

Der dichtende Sachbearbeiter hält die Kündigung für unwirksam. Bei dem Buch handele es sich um einen fiktiven Roman; er habe keine Umstände aufgegriffen, die eine Identifikation zuließen. Er beruft sich auf die Freiheit der Kunst.

Die Entscheidung:

Das Landesarbeitsgericht Hamm hat am 15.7.2011 so entschieden wie schon die erste Instanz davor, das Arbeitsgericht Herford. Nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts kann sich der Arbeitnehmer auf die Kunstfreiheit des Grundgesetzes berufen. Insoweit bestehe die Vermutung, dass es sich bei einem Roman nicht um tatsächliche Gegebenheiten, sondern um eine fiktionale Darstellung handele. Etwas anderes könne nur dann gelten, wenn alle Eigenschaften einer Romanfigur dem tatsächlichen Vorbild entsprächen. Dies habe im Streitfall nicht festgestellt werden können, zumal die Arbeitgeberin auch betont habe, die im Roman überspitzt gezeichneten Zustände spiegelten nicht die realen Verhältnisse im Betrieb wider.

Das Landesarbeitsgericht hat aber im Hinblick den Einfluss des Verfassungsrechts die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen. Sollte die Arbeitgeberin Revision beim Bundesarbeitsgericht einlegen, wird man also noch von diesem Fall hören.

 

 

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