Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung
Die gelbe Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, welche der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber zum Nachweis vorlegen muss, gibt keine näheren Anhaltspunkte. Arbeitgeber finden das nicht fair. Sie müssen den Beweiswert des Formulars anerkennen. Nur manchmal gibt es Ausnahmen.
Es ist ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, dass der Beweiswert der gelben ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nahezu unerschütterlich ist. Legt der Arbeitnehmer ein ärztliches Attest vor, begründet dies in der Regel den Beweis für die Tatsache seiner Arbeitsunfähigkeit. Es wäre Sache des Arbeitgebers das Gegenteil zu beweisen, wenn er die Arbeitsunfähigkeit bezweifelt oder sich insbesondere darauf beruft, der Arbeitnehmer habe den Arzt durch Simulation getäuscht oder der Arzt habe verkannt, inwieweit der Arbeitnehmer überhaupt Arbeit leisten müsse und arbeitsunfähig sei. Dieses ist den Arbeitgebern in der Regel unmöglich. Sie haben nicht die erforderlichen Informationen, um einen solchen Beweis anzutreten. Bei Zweifelsfragen können sie höchstens den medizinischen Dienst der Krankenkassen zur weiteren Überprüfung der Arbeitsunfähigkeit informieren; die Krankenkassen entscheiden aber nach eigenem Ermessen, ob eine Nachuntersuchung vorgenommen wird oder ob die Arbeitsunfähigkeit gegeben ist. Immer wieder wurde versucht, diese ärztliche Schweigepflicht und den „Arbeitnehmerdatenschutz“ in Frage zu stellen. Arbeitsunfähigkeit kommt teuer, weil der Arbeitgeber mindestens bis sechs Wochen den Lohn fortzahlen muss und es wirkt für ihn besonders schmerzlich, wenn Zweifel an der Plausibilität der ärztlichen Bescheinigung und der Dauer des“ Krankschreibens“ bestehen.
Unter gewissen Voraussetzungen kann sich die Beweislage trotz des Vorliegens einer ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung aber fast umkehren. Das Bundesarbeitsgericht hatte bereits 1993 die fristlose Kündigung eines Arbeitsverhältnisses für rechtmäßig gehalten, weil es sich in diesem Fall genau feststellen ließ, dass es sich in Wahrheit nur um eine vorgetäuschte Erkrankung gehandelt hatte. Jetzt hat sich das Hessische Landesarbeitsgericht wieder mit einem Fall befasst, in welchem der Arbeitnehmer ein Attest vorgelegt hatte und Lohnfortzahlung erhielt, obwohl er nachweisbar zu einem Arbeitskollegen gesagt hatte, er sei „psychisch und physisch topfit, aber nicht für die Firma“.
Der Arbeitgeber hat das Arbeitsverhältnis sofort fristlos gekündigt und konsequenterweise die Lohnzahlungen eingestellt, nachdem er von dieser Äußerung gehört hatte. Der Arbeitnehmer hat dagegen eine Kündigungsschutzklage erhoben und zugleich die ausgebliebenen Löhne eingeklagt. Er war vor dem Hessischen Landesarbeitsgericht erfolglos.
Nach Ansicht des Landesarbeitsgerichtes ist es bei einer solchen Ausgangskonstellation Sache des Arbeitnehmers, im einzelnen vorzutragen und darzulegen, welche Krankheiten vorgelegen haben, welche gesundheitlichen Arbeitseinschränkungen bestanden haben und welche genauen Verhaltensmaßregeln der Arzt gegeben hat. Es reicht nicht aus, wie es sonst der Fall wäre, wenn der Arbeitnehmer nur darlegt, der Arzt habe das Weiterbestehen der Arbeitsunfähigkeit fachgerecht indiziert und attestiert. Derartige blosse Behauptungen des Arbeitnehmers entkräften das Indiz nicht. Sie legen unwiderlegt die Vermutung nahe, seine Arbeitsunfähigkeit sei nur vorgetäuscht worden und das berechtigt zu einer fristlosen Kündigung.
Hessisches Landesarbeitsgericht, Urt. v. 8.2.2010 (16 Sa 890/09)