Leiharbeitnehmer zählen mit

Nicht nur die Vertragsarbeitnehmer sind entscheidend. Immer mehr wird bei der Ermittlung von Schwellenwerten auf die Zahl der funktionalen Arbeitsplätze abgestellt. So auch bei der Wahl der Aufsichtsratsmitglieder nach dem Mitbestimmungsgesetz.

Der Fall:
In Aktiengesellschaften, Kommanditgesellschaften auf Aktien, GmbHs oder Genossenschaften, welche in der Regel mehr als 2000 Arbeitnehmer beschäftigen, können die Arbeitnehmer Mitglieder in den Aufsichtsrat des Unternehmens wählen. Beschäftigt das Unternehmen in der Regel mehr als 8000 Arbeitnehmer werden Delegierte gewählt, sofern nicht die wahlberechtigten Arbeitnehmer eine unmittelbare Wahl beschließen. Die Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer eines Unternehmens mit in der Regel weniger als 8000 Arbeitnehmern werden hingegen in unmittelbarer Wahl gewählt, es sei denn hier, die wahlberechtigten Arbeitnehmer beschließen in diesem Fall die Wahl durch Delegierte.

In einem Unternehmen wurde durch Aushang für die Wahl der Arbeitnehmer in den Aufsichtsrat bekannt gemacht, es gäbe 7678 Arbeitnehmer. Es müsse also eine unmittelbare Wahl zum Aufsichtsrat stattfinden, wenn nichts Anderes (Delegiertenwahlen) beschlossen worden ist. Der Hauptwahlvorstand stellt hingegen am maßgeblichen Stichtag fest, dass es sich um 7875 Arbeitnehmer, 22 leitende Angestellte und vor allem auch um 444 Leiharbeitnehmer auf Stammarbeitsplätzen handelte, also weitaus mehr als 8000 Arbeitnehmer. Der Wahlvorstand wollte deswegen die Regelwahl durch Delegierte stattfinden lassen, weil eine unmittelbare Wahl nicht beschlossen worden war.

Verschiedene Arbeitnehmer klagten am Arbeitsgericht Offenbach gegen den Hauptwahlvorstand. Sie wollten ihn verpflichteten die Wahl der Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat in unmittelbarer Wahl durchzuführen. Sie waren der Auffassung, es habe eine unmittelbare Wahl stattzufinden, da Leiharbeitnehmer bei der Berechnung der Beschäftigtenzahl nicht mitzählen und deswegen der Regelfall einer unmittelbaren Wahl gegeben sei. Entscheidend war also, ob eine arbeitsplatzbezogene Betrachtungsweise gilt und Leiharbeitnehmer mitzählen oder eine vertragsbezogenene Betrachtungsweise, bei welcher nur die direkt angestellten Arbeitnehmer wahlberechtigt sind.

Das Arbeitsgericht Offenbach, das Hessische Landesarbeitsgericht und das Bundesarbeitsgericht stehen auf dem Standpunkt: Leiharbeitnehmer zählen in diesem Fall mit.

Die Entscheidung:

Die Entscheidung steht im Kontext mit einer neueren Entwicklung des Arbeitsrechts. Der angenommene Schwellenwert von mehr als 8000 Arbeitnehmern war mit anderen Entscheidungen der der Arbeitsgerichtsbarkeit der letzten Zeit zu harmonisieren.

Immer dann, wenn es auf die Betriebsgröße ankommt schiebt sich eine arbeitsplatzbezogene Auslegung nach vorn. Es wird also nicht gezählt, wieviel Arbeitnehmer einen Arbeitsvertrag mit dem maßgeblichen Unternehmen haben, sondern wieviel Arbeitnehmer konkret betrieblich beschäftigt werden. Die Zahl der regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer bestimmt die Betriebsgröße, nicht, wer ihr Vertragsarbeitgeber ist. Schwellenwerte gibt es im Arbeitsrecht häufig. Beispielsweise hat das Bundesarbeitsgericht 2013 den Schwellenwert für die Betriebsratsgröße neuerdings daran festgemacht, dass auch die in der Regel beschäftigten Leiharbeitnehmer bei der Berechnung der Betriebsgröße mitzählen. Bei der Sozialplanpflicht – kleine Betriebe sind bei Betriebsänderungen nicht sozialplanpflichtig – zählt das Bundesarbeitsgericht neuerdings die Leiharbeitnehmer mit. Der allgemeine Kündigungsschutz gilt in Betrieben mit unter zehn Arbeitnehmern weitgehend nicht. Hingegen hat das Bundesarbeitsgericht 2013 entschieden, bei der Berechnung der Betriebsgröße seien auch im Betrieb beschäftigten Leiharbeitnehmer zu berücksichtigen wenn ihr Einsatz auf einem“ in der Regel“ vorhandenen Personalbedarf beruht.

Man tut also hinfort gut daran, bei arbeitsrechtlichen Schwellenwerten arbeitsplatzbezogen zu rechnen und Leiharbeitnehmer mitzuzählen.

Bundesarbeitsgericht 4. November 2015 -7 ABR 42 / 13-

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