Heimliche Videoaufnahmen kranker Arbeitnehmer?

Es droht Schmerzensgeld, wenn der Verdacht des Simulierens nicht hundertprozentig überzeugend bewiesen werden kann.

Ein Arbeitgeber, der wegen des Verdachts einer vorgetäuschten Arbeitsunfähigkeit einem Detektiv die Überwachung eines Arbeitnehmers überträgt, handelt rechtswidrig, wenn sein Verdacht nicht auf konkreten Tatsachen beruht. Dasselbe gilt für heimlich hergestellte Fotos oder Videoaufnahmen. Eine solche rechtswidrige Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Arbeitnehmers kann einen Schmerzensgeldanspruch begründen.

Der Fall:

Eine 48 -jährige Sekretärin begann das Arbeitsverhältnis am 1. Mai 2011. Für den Zeitraum vom 27.12.2011 bis zum 28.02.2012 lagen der Arbeitgeberin die nachfolgenden Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vor:

  • Erstbescheinigung vom 27.12.2011 für den Zeitraum vom 27.12.2011 bis zum 30.12.2011 von dem Facharzt für Allgemeinmedizin – Homöopathie – Dr. G1
  • Folgebescheinigung vom 02.01.2012 für den Zeitraum bis einschließlich 06.01.2012 von dem Facharzt für Allgemeinmedizin – Homöopathie – Dr. G1
  • Folgebescheinigung vom 06.01.2011 für den Zeitraum bis einschließlich 20.01.2012 von dem Facharzt für Allgemeinmedizin – Homöopathie – Dr. G1
  • Folgebescheinigung vom 23.01.2011 für den Zeitraum bis einschließlich 03.02.2012 von dem Facharzt für Allgemeinmedizin – Homöopathie – Dr. G1
  • Erstbescheinigung vom 31.01.2012 für den Zeitraum vom 31.01.2012 bis einschließlich 14.02.2012 von der Fachärztin für Physikalische und Rehabilitative Medizin / Fachärztin für Orthopädie G2
  • Folgebescheinigung vom 14.02.2012 für den Zeitraum bis einschließlich 28.02.2012 von der Fachärztin für Physikalische und Rehabilitative Medizin / Fachärztin für Orthopädie G2.

Die Arbeitgeberin entschloss sich, eine Detektei zu beauftragen welche am 16.02.2012, 17.02.2012, 23.02.2012 und 24.02.2012 die Sekretärin observierte. Beobachtet und gefilmt wurden unter anderem das Haus der Sekretärin, sie und ihr Mann mit  dem Hund vor dem Haus und der Besuch der Arbeitnehmerin in einem Waschsalon. Die Arbeitnehmerin hielt sowohl die Beauftragung des Detektivs als auch dessen Videoaufnahmen für rechtswidrig und einen Eingriff in ihr Persönlichkeitsrecht. Sie forderte vor der Arbeitsgerichtsbarkeit ein Schmerzensgeld, dessen Höhe sie mit 10.500 Euro für angemessen hielt.

Die Entscheidung:

Das Landesarbeitsgericht gab der Arbeitnehmerin im Grundsatz Recht, verurteilte die Arbeitgeberin aber nur zu einem Schmerzensgeld i.H.v. 1000 Euro.

Das Bundesarbeitsgericht hat die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts nochmals im Grundsatz bestätigt. Es hält sich hingegen nicht für zuständig, die Höhe des Schmerzensgeldes zu überprüfen. Der Beweiswert der ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen wurde nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts weder dadurch erschüttert, dass sie von unterschiedlichen Ärzten stammen, noch durch eine Änderung des Krankheitsbildes oder weil der Bandscheibenvorfall zunächst hausärztliche behandelt worden war. Für die Erforderlichkeit der Beauftragung eines Detektivs fordert das Bundesarbeitsgericht sehr viel handfestere Indizien. Nach dem Bundesdatenschutzgesetz ist eine solche Observation nur zu präventiven Zwecken im Rahmen der Begründung, Durchführung oder Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses erforderlich. Vorliegend erfolgte die Überwachung aber zum repressiven Zweck, ein vermutetes Fehlverhalten der Sekretärin im Zusammenhang mit der bescheinigten Arbeitsunfähigkeit aufzudecken. Zwar ist es richtig, dass ein gesunder Arbeitnehmer den Straftatbestand des Betruges verwirklicht, wenn er unberechtigt die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall in Anspruch nimmt, weil er seine Arbeitsunfähigkeit vorgetäuscht hat. Das lässt sich aus den ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen nicht entnehmen, welche dem Arbeitgeber vorliegen. Letztlich muss der Arbeitgeber beweisen, dass der Arbeitnehmer auch den Arzt getäuscht hat und das ist fast unmöglich. Der ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung kommt ein hoher Beweiswert zu Gunsten des Arbeitnehmers zu.

Bundesarbeitsgericht 19. Februar 2015 (8 AZR 1007/13) vorhergehend: Landesarbeitsgericht Hamm 11. Juli 2013 (11 Sa 312/13)

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