Kündigung wegen mangelnder Sprachkenntnisse

Kann ein Arbeitnehmer mangels hinreichender deutscher Sprachkenntnisse schriftliche Arbeitsanweisungen nicht verstehen, so kann selbst nach 29-jähriger Tätigkeit eine ordentliche Kündigung gerechtfertigt sein. Hierin liegt regelmäßig keine unzulässige mittelbare Diskriminierung wegen der ethnischen Herkunft. Das gilt jedenfalls dann, wenn die Kenntnis der deutschen Schriftsprache für die Tätigkeit erforderlich ist.

Der Fall:

Ein 1948 in Spanien geborener Produktionshelfer war seit 1978 in einem Unternehmen der Automobilzulieferindustrie beschäftigt. Nach der von ihm unterzeichneten Stellenbeschreibung setzt seine Tätigkeit die Kenntnis der deutschen Sprache in Wort und Schrift voraus. Im September 2003 absolvierte er auf Kosten der Firma während der Arbeitszeit einen Deutschkurs. Er weigerte sich jedoch, an den ihm empfohlenen Folgekursen teilzunehmen.

Im März 2004 wurde der Betrieb nach Qualitätsnormen zertifiziert. In der Folgezeit wurde bei mehreren internen Prüfungen („Audits“) festgestellt, dass der Mitarbeiter Arbeits- und Prüfanweisungen nicht lesen konnte. Die Firma forderte ihn daraufhin mehrmals auf, seine Deutschkenntnisse zu verbessern. Eine Aufforderung im Februar 2006 verband sie mit dem Hinweis, dass er bei gleichbleibend schlechten Deutschkenntnissen mit einer Kündigung rechnen müsse.

Nachdem der Mitarbeiter bei einer im April 2007 durchgeführten Sprachprüfung erneut durchgefallen war, kündigte die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis mit Zustimmung des Betriebsrats zum 31.12.2007. Seine hiergegen gerichtete Kündigungsschutzklage wies das Arbeitsgericht ab, das Landesarbeitsgericht aber gab ihr statt. Auf die Revision der Arbeitgeberin hob das BAG am 28.01.2010 die Entscheidung der Vorinstanz auf und wies die Klage endgültig ab.

Die Gründe:

Die Kündigung war nach Ansicht des Bundesarbeitsgericht sozial gerechtfertigt. Kann ein Arbeitnehmer in deutscher Sprache abgefasste Arbeitsanweisungen nicht lesen, so kann eine ordentliche Kündigung gerechtfertigt sein. Hierin liegt jedenfalls dann keine verbotene mittelbare Benachteiligung wegen der ethnischen Herkunft, wenn die verlangten deutschen Sprachkenntnisse für die jeweilige Tätigkeit erforderlich sind. Der Arbeitgeber verfolgt insoweit ein legitimes, nicht diskriminierendes Ziel, wenn er – etwa aus Gründen der Qualitätssicherung – schriftliche Arbeitsanweisungen einführt.

Kommentar:

Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts bedeutet nicht, dass mangelnde Sprachkenntnisse stets und ohne weiteres zur Kündigung berechtigen. Zunächst muss der Arbeitgeber darlegen und beweisen können, in welchem Umfang für die Art der geschuldeten Tätigkeit Deutschkenntnisse unbedingt erforderlich sind. Das gelang dem Automobilzulieferer hier mit dem Hinweis auf die vom Arbeitnehmer sogar gegengezeichnete Stellenbeschreibung und das Qualitätsmanagement im Betrieb seit Anfang 2004.

Es ist auch die Sache des Arbeitgebers, zu beweisen, dass der Arbeitnehmer die Anforderungen nicht erfüllt. Das ist nicht einfach. Die Anforderungen sind nach der Art der Arbeitsleistung unterschiedlich zu bewerten und wären bei einem Deutschlehrer sicherlich höher als bei einem Produktionshelfer. Der Autozulieferer konnte hier auf die Audits und die verweigerte Fortbildung verweisen. Besonders an diesem Fall ist auch, dass der Arbeitnehmer nicht „mitgewachsen“ war. Unmittelbar nach der Einstellung würde sich ein Arbeitgeber nicht auf die mangelnde Sprachqualifikation eines Arbeitnehmers berufen können. Im Übrigen lagen in dem konkreten Fall hinreichende Abmahnungen vor, sodass der Arbeitnehmer angemessen in Verzug gesetzt und gewarnt worden war.

Eine Diskriminierung wegen ethnischer Herkunft ist die Kündigung nicht , wenn die vertraglich vereinbarte Art der Beschäftigung ausreichende Deutschkenntnisse erfordert und dieser Teil der Arbeitsleistung deswegen angemahnt wird (siehe dazu auch die vorhergehende Nachricht https://www.arbeitsadvo.de/2010/01/18/gehen-sie-in-einen-deutschkurs-diskriminierung/)

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