Fiktive Nettolohnvereinbarung bei illegaler Beschäftigung

Immer wieder Streit gerät die Frage, wie die Lohnsteuer und die  Sozialversicherungsabgaben zu berechnen sind, wenn Scheinselbstständigkeit vergütet wird, welche dem Grunde nach ein Arbeitsverhältnis ist, für das Lohnsteuer und Sozialversicherungsabgaben zu zahlen wären. Unterschiedlich gesehen wird es insbesondere, was genau eine“ illegale Beschäftigung“ eigentlich ist. Gilt es schon als illegal, wenn wegen sogenannter  Subunternehmerrechnungen nur keine Lohnsteuer und keine Sozialversicherungsabgaben entrichtet worden sind? Das Landessozialgericht Rheinland-Pfalz hat sich mit dieser Frage beschäftigt, aber im Urteil die Revision an das Bundessozialgericht zugelassen. Eine höchstrichterliche Entscheidung steht also noch aus.

Der Fall:

Der Baggerbetrieb ML. beschäftigte einen polnischen Staatsangehörigen mit verschiedenen Arbeiten (Bagger fahren, Rohre verlegen, Aufräumen der Baustelle, Fertigung des Unterbaues bei anfallenden Pflasterarbeiten). Das Unternehmen und der polnische Staatsangehörige einigten sich über einen „Subunternehmervertrag“ nach welchem der Baggerführer das Büro des Unternehmens nutzen konnte und beim Unternehmer zuhause wohnte. Es wurde außerdem ein Opel-Astra zur Nutzung bereitgestellt. Abgerechnet wurden die Leistungen des polnischen Staatsangehörigen auf Stundenbasis in Höhe von Euro 10 je Stunde netto. Die Deutsche Rentenversicherung Bund führte eine Betriebsprüfung durch und kam zu dem Ergebnis, dass es sich um ein versicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis handelt, für das Beiträge zur Kranken-, Renten-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherung abzuführen waren.

Für die Berechnung der Sozialversicherungsbeiträge ging die Betriebsprüfung von dem so genannten Abtastverfahren aus. Sie legte die Zahlungsbeträge zu Grunde, welche in den Rechnungen des Baggeführers ausgewiesen waren. Ausgehend von diesen Beträgen ermittelten die Betriebsprüfer die jeweiligen Bruttobeträge, indem sie die Beiträge zu den Versicherungen, die darauf zu entrichtenden Steuern und daraus sodann den Gesamtbetrag errechneten. Bei dieser Hochrechnung auf den Bruttolohn gingen sie  im Übrigen von der Lohnsteuerklasse VI aus, da keine Lohnsteuerkarte vorgelegt worden war. Die dem polnischen Arbeitnehmer zugeflossenen Beträge gelten also als Nettolohn, zu welchem der Arbeitgeber ergänzend die Arbeitnehmeranteile und die Arbeitgeberanteile sowie die Lohnsteuer abzuführen hatte. Das wurde teuer. Die Klage des Unternehmers gegen die Abgabenbescheide hatte bisher keine Aussicht auf Erfolg.

Die Entscheidung:

Nach der Rechtsprechung des Sozialgerichtes und des Landessozialgerichts Rhld.Pf. liegt eine illegale Beschäftigung bei einer Vielzahl von Ordnungswidrigkeiten oder Straftaten, von Verstößen gegen das Arbeitnehmerüberlassungsrecht bis hin zu Verstößen gegen das Steuerrecht oder bei Leistungsmissbrauch vor. Unter illegaler Beschäftigung seien auch alle Formen von Zuwiderhandlungen des Arbeitgebers zu verstehen, bei denen der Verpflichtung nicht nachgekommen werde, Meldungen zu erstatten und Beiträge für die Versicherten abzuführen. Zwar ist der Begriff des illegalen Beschäftigungsverhältnisses im Gesetz nicht näher definiert, im Wege der Auslegung konkretisiert das Landessozialgericht Rhld.-Pf. ihn aber so, dass darunter auch alle Beschäftigungsverhältnisse zu verstehen sind, bei denen die jeweils geltenden gesetzlichen Bestimmungen nicht befolgt werden. Die Illegalität beziehe sich nicht nur auf die Beschäftigung als solche (etwa die Frage, ob die Beschäftigung eines Baggers Haus als solche illegal ist), sondern insbesondere auch darauf, unter welchen Umständen die Beschäftigung sozialversicherungsrechtlich und steuerrechtlich ausgeübt wird. Der Unternehmer hatte sich nämlich darauf eingelassen, dass der Begriff der illegalen Beschäftigung enger zu fassen sei und das Nichtabführen von Sozialversicherungsbeiträgen allein noch nicht zur Illegalität führe; Voraussetzung und Folge würden miteinander verwechselt. Dieses ist umstritten, weshalb die Revision an das Bundessozialgericht zugelassen wurde.

Unser Kommentar:

Es ist damit zu rechnen, dass auch das Bundessozialgericht den Urteilen der Vorinstanzen folgen wird und den Begriff der illegalen Beschäftigung im Gesetz weit auslegt. Wichtig scheint in diesem Zusammenhang aber noch einmal der Hinweis, dass der Arbeitgeber verpflichtet ist, eine neues Arbeitsverhältnis  zu melden und selbstkritisch prüfen muss, ob es sich bei dem Beschäftigungsverhältnis nicht um Scheinselbstständigkeit handelt. Vorsorglich werden hier noch einmal die Aspekte für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung im vorbezeichneten Fall aufgezeigt:

Der Baggerführer war sozialversicherungspflichtig beschäftigter Arbeitnehmer, weil

  • keine eigenen Betriebsstätten und Geschäftsräume vorhanden waren,
  • kein eigenes Klientel und kein eigener Briefkasten vorhanden waren,
  • im Wesentlichen der Unternehmer der alleinige Auftraggeber war,
  • keine eigene Werbung unternommen wurde,
  • keine eigene Rechnungsstellung an Dritte erfolgte,
  • Entgelt nach den geleisteten Arbeitsstunden bemessen wurde und nicht nach objektiven Leistungseinheiten,
  • kein Unternehmerrisiko ersichtlich war, sondern nur der Einsatz der eigenen Arbeitskraft,
  • die Betriebsmittel vom Auftraggeber kostenlos zur Verfügung gestellt wurden,
  • keine eigene Preiskalkulation bestand,
  • Baggerarbeiten auch von weiteren ordnungsgemäß beschäftigten Mitarbeitern der Firma wahrgenommen wurden,
  • der Einsatzort vom Auftraggeber festgelegt wurde,
  • die Arbeitszeit im Einzelnen abgestimmt wurde,
  • keine Eigenhaftung oder Gewährleistung des Baggerführers ersichtlich war,
  • der Auftragnehmer auch durch die Zusammenarbeit mit den anderen Arbeitnehmern der Firma in die betriebliche Arbeitsorganisation eingegliedert war
  • und der Auftragnehmer keine eigenen Arbeitnehmer beschäftigt hat.

vgl.: https://www.arbeitsadvo.de/stichworte/arbeitnehmereigenschaft/

Ähnliche Beiträge

Sozialversicherungspflicht der mitarbeitenden Ehefrau

Publiziert am unter , ,

Besteht zwischen einer Ehefrau, die gemeinsam mit ihrem Ehemann Gesellschafterin einer GmbH ist und die über einen Kapitalanteil von 10% verfügt, und der GmbH ein schriftlicher Arbeitsvertrag, wird die Ehefrau als Arbeitnehmerin beschäftigt. Es müssen Sozialversicherungsbeiträge gezahlt werden. Das gilt jedenfalls dann, wenn die Ehefrau keine besonderen Gesellschafterrechte ausüben kann (Sperrminorität). Die Eheleute können gegen die Versicherungspflicht nicht einwenden, der Arbeitsvertrag sei nur aus steuerrechtlichen Gründen abgeschlossen und „nicht gelebt“ worden. Das ist die Ansicht des Landessozialgerichts Baden-Württemberg in seiner Entscheidung vom 15.08.2008.Weiterlesen

Betriebsrentenanpassung im Konzern

Publiziert am unter ,

Alle drei Jahre besteht für die viele Typen von Versorgungszusagen eine Prüfungspflicht. Der Arbeitgeber muss die Belange des Versorgungsempfängers und seine wirtschaftliche Lage abwägen und die laufenden Leistungen ggf. anpassen. Im Streit bei der Beurteilung der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens war bisher immer, wie mit Konzernunternehmen umgegangen werden soll. Darf nur das einzelne Konzernunternehmen berücksichtigt werden, oder ist die Gesamtlage des Konzerns auch massgeblich? Das Bundesarbeitsgericht hat sich am 10.Februar 2009 in drei Fällen mit dieser Frage befasst.Weiterlesen