Sozialversicherungsschutz bei familiärer Mitarbeit
Nicht unbedingt kann ein mitarbeitender Familienangehöriger Sozialversicherungsschutz beanspruchen. Auf den Text des Arbeitsvertrages kommt es dabei weniger an, sondern vor allem auf gewisse Indizien, ob wirklich oder nur scheinbar eine Beschäftigung vorliegt.
Eine gelernte Hotelfachfrau war fünf Jahre als selbständige Gastwirtin tätig. Ihr Sohn war zunächst Koch gewesen, bevor er sich zum 1. April 2004 als Gastwirt selbständig machte und seither ein Hotel betreibt. Am 30. Mai 2004 vereinbarten der Sohn und die Mutter einen Arbeitsvertrag für die Zeit ab 1. Juni 2004 als Gästebetreuerin. Rückwirkend meldete der Sohn seine Mutter als pflichtversichert beschäftigte Arbeitnehmerin an.
Ab 17. März 2004 befand sich die Mutter in hausärztlicher Behandlung aufgrund von Hüftschmerzen, derentwegen sie später arbeitsunfähig krankgeschrieben wurde. Die Versicherungsanstalt entschied, dass keine Versicherungspflicht bestehe. Gegen diesen Bescheid legte die Mutter Widerspruch ein und erhob gegen den ablehnenden Widerspruchsbescheid Klage, die ebenfalls abgewiesen wurde.
Sowohl das Sozialgericht als auch das Landessozialgericht Baden – Württemberg stellten sich auf den Standpunkt der Versicherungsanstalt. Beide Gerichte verneinten es, dass eine versicherungspflichtige Beschäftigung begründet worden sei.
Ein arbeitsvertragliches Beschäftigungsverhältnis einer langjährig selbstständig tätigen Gastronomin im Hotelbetrieb ihres beruflich unerfahrenen Sohnes ist nicht als versicherungspflichtig einzustufen, sondern als Mithilfe im Rahmen familiärer Verbundenheit zu klassifizieren, wenn aufgrund ihres bisherigen beruflichen Werdegangs Zweifel an ihrer Weisungsgebundenheit bestehen. Dies gilt insbesondere im Fall, dass der Arbeitsvertrag zu einem Zeitpunkt geschlossen worden ist, in dem sich erhebliche gesundheitliche Beeinträchtigungen abzeichneten.
Die Gerichte stützten sich dabei auf die ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, nach der eine Beschäftigung mit Sozialversicherungspflicht voraussetzt, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und er dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Ausgangspunkt soll danach zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten sein, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt. Jedoch gehen eine hierzu im Widerspruch stehende tatsächliche Beziehung und die sich hieraus ergebende Schlussfolgerung der formellen Vereinbarung regelmäßig vor. Der mitarbeitende Familienangehörige muss wie ein fremder Arbeitnehmer beschäftigt werden.
In diesem Sinne gelangte der zuständige Senat des Landessozialgerichts am 28.04.2009 zu der Feststellung, dass die Tätigkeit der Mutter als Gästebetreuerin nicht in Form einer abhängigen Beschäftigung durchgeführt worden sei. Auch wenn ein schriftlicher Arbeitsvertrag geschlossen wurde, stehe die konkret ausgeübte Tätigkeit im Widerspruch, die sich allenfalls als eine Mithilfe aufgrund familiärer Verbundenheit darstellt. Dies rechtfertigt sich laut Senat daraus, dass der Arbeitsvertrag zu einem Zeitpunkt geschlossen wurde, in dem sich abzeichnete, dass die Mutter aufgrund gesundheitlicher Beschwerden in ihrer Erwerbsfähigkeit beeinträchtigt war. Es dränge sich daher der Verdacht auf, dass der Arbeitsvertrag nur deshalb unterzeichnet worden ist, um in den Genuss eines Anspruchs auf Krankengeld zu kommen. Zwar sind versicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse unter nahen Angehörigen möglich. Es muss aber objektiv eine versicherungspflichtige Tätigkeit vorliegen, die der Senat hier in Zweifel zieht. Eine persönliche Abhängigkeit der Mutter war nach Ansicht des Senats schon deshalb schwer vorstellbar, weil sie als Hotelfachfrau mehr über die Führung eines Hotels gewusst hat als ihr Sohn, der eine Berufsausbildung als Koch absolviert hatte.