Sozialversicherung bei Betriebsübergang
Ein Betriebsübernehmer haftet nicht unbedingt für die Altschulden des Betriebsveräusserers bei den Sozialversicherungen. Es fehlt bei einer Umfirmierung an einer ausreichenden gesetzlichen Grundlage dafür.
Ein Sohn übernahm zum 01.01.2002 von seiner Mutter deren Einzelhandelsgeschäft und führte es unter neuer Firmenbezeichnung als Einzelkaufmann (e.K.) fort. Zum 09.04.2002 erfolgte die Umfirmierung im Handelsregister beim Amtsgericht. Für den Sohn wurde nach der Gewerbeanmeldung eine neue Betriebsnummer und durch die AOK eine neue Arbeitgeberkontonummer vergeben.
Im Dezember 2003 führte die AOK eine Betriebsprüfung bei dem Sohn durch, als deren Ergebnis sie für die Zeit vom 01.01.1999 bis 31.12.2000 wegen untertariflicher Entlohnung der Arbeitnehmer Sozialversicherungsbeiträge von Höhe von 3.552,27 € nachforderte, also noch für die Zeit, als die Mutter Inhaberin des Einzelhandelsgeschäfts war.
Das Landessozialgericht Rheinland Pfalz sah diese Nachforderung der AOK nicht als gerechtfertigt an. Die andere Vorentscheidung des Sozialgerichts hob es am 13.08.2008 auf.
Es steht auf dem Standpunkt, der Anspruch der AOK richte sich nach §§ 22 f SGB IV nicht gegen den Sohn, sondern nur gegen seine Mutter als dessen kaufmännische Rechtsvorgängerin. Im streitigen Zeitraum vom 01.01.1999 bis 31.12.2000 war der Sohn noch nicht Firmeninhaber und hafte daher nicht gegenüber den Versicherungsträgern für die an diese abzuführenden Beiträge. Daran hat sich nach Ansicht des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz durch seine Firmenübernahme nichts geändert.
Zwar sagt § 25 HGB, worauf sich das Sozialgericht als Vorinstanz berufen hatte:
„(1) Wer ein unter Lebenden erworbenes Handelsgeschäft unter der bisherigen Firma mit oder ohne Beifügung eines das Nachfolgeverhältnis andeutenden Zusatzes fortführt, haftet für alle im Betrieb des Geschäfts begründeten Verbindlichkeiten des früheren Inhabers. Die in dem Betrieb begründeten Forderungen gelten den Schuldnern gegenüber als auf den Erwerber übergegangen, falls der bisherige Inhaber oder seine Erben in die Fortführung der Firma gewilligt haben.
(2) Eine abweichende Vereinbarung ist einem Dritten gegenüber nur wirksam, wenn sie in das Handelsregister eingetragen und bekannt gemacht oder von dem Erwerber oder dem Veräußerer dem Dritten mitgeteilt worden ist.
Das Landessozialgericht Rheinland-Pfalz meint aber, die Norm gebe einer Sozialversicherung keine Ermächtigung zur Inanspruchnahme eines Firmennachfolgers für zu niedrig oder nicht entrichtete Sozialversicherungsbeiträge aus der Zeit vorher.
Voraussetzung einer Haftung sei nach § 25 Abs. 1 Satz 1 HGB, dass nicht nur das Handelsgeschäft eines Kaufmanns fortgeführt wird, sondern dass es „unter der bisherigen Firma“ fortgeführt wird, einerlei ob mit oder ohne Zusatz über die Nachfolge. Die Firma des Kaufmanns ist der Name, unter dem er seine Geschäfte betreibt und die Unterschrift abgibt. Der Sohn betrieb als Einzelkaufmann eine neue Firma und hatte eine neue Betriebsnummer.
Der Sohn hatte zwar in der Zeit vom 01.01.2002 bis 09.04.2002 das Geschäft seiner Mutter unter deren Firmenzeichnung fortgeführt und erst zum 09.04.2002 die Firmenbezeichnung geändert. Für Sozialversicherungsbeiträge aus der Zeit davor haftet er als neuer Betriebsinhaber nicht, weil nach § 25 HGB nur „Geschäftsverbindlichkeiten“ übergehen. Das sind alle Verbindlichkeiten, die mit dem Betrieb des Geschäfts in innerem Zusammenhang stehen. Sozialversicherungsbeiträge zählen nicht dazu.
Durch die Umfirmierung wurde der Sohn ein neuer Schuldner. Forderungen gegenüber Dritten, wie sie von der AOK hier für die Vergangenheit geltend gemacht worden sind, bedürfen nach dem Grundsatz vom Vorbehalt des Gesetzes einer entsprechenden gesetzlichen Grundlage. Diese fehlt aber, denn § 25 Abs. 1 HGB erfasst zunächst nur zivilrechtliche Ansprüche. Zu den Geschäftsverbindlichkeiten i.S.d. § 25 Abs. 1 HGB, für die der Firmennachfolger haftet, zählen auch Steuern und Abgaben, was der Gesetzgeber in § 75 Abs. 1 Satz 1 Abgabenordnung (AO) ausdrücklich geregelt hat. Eine entsprechende Regelung zum Forderungsübergang fehlt jedoch für öffentlich-rechtliche Beiträge zur gesetzlichen Sozialversicherung.