Neue steuerliche Förderung der Kapitalbeteiligung von Mitarbeitern
Am 27.08.2008 hat die Bundesregierung den „Entwurf eines Gesetzes zur steuerlichen Förderung der Mitarbeiterkapitalbeteiligung“ verabschiedet. Das Gesetz, das nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, soll nach der Beschlussfassung durch Bundestag und Bundesrat am 1. April 2009 in Kraft treten.
Viele Unternehmen in Deutschland bieten ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bereits eine materielle Beteiligung am eigenen Unternehmen an. Dabei kommen verschiedene Formen zur Anwendung, zum Beispiel Mitarbeiterdarlehen, Mitarbeiteraktien oder stille Beteiligungen; gelegentlich kommt es auch zur vollständigen Übernahme eines Unternehmens. Trotz aller bisherigen Initiativen und Maßnahmen ist die Beteiligung der Mitarbeiter an ihren Unternehmen in Deutschland im europäischen Vergleich unterdurchschnittlich ausgeprägt.
Es wird auch als ein Gebot wirtschaftlicher Vernunft und sozialer Gerechtigkeit gesehen, dass Beschäftigte am Ertrag der Volkswirtschaft gerecht und ausgewogen teilhaben. Gewinne und Kapitaleinkommen sind in den vergangenen Jahren deutlich stärker gestiegen als Arbeitseinkommen. In den Jahren von 2003 bis 2007 sind die Unternehmens- und Vermögenseinkommen um 37,6 Prozent gestiegen, während die Arbeitnehmereinkommen nur einen Zuwachs von 4,3 Prozent verzeichneten. Der Anteil der Arbeitnehmerentgelte am Volkseinkommen ist bereits seit dem Jahr 2000 deutlich zurückgegangen und lag im Jahr 2007 noch bei 64,7 Prozent.
Die häufigste Form der Mitarbeiterbeteiligung ist die Belegschaftsaktie. Sie wird nach einer aktuellen Untersuchung von 1,42 Millionen Arbeitnehmern in 620 Unternehmen genutzt. Stille Beteiligungen sind bei GmbHs und Personengesellschaften das am meisten verbreitete Modell der Mitarbeiterkapitalbeteiligung, da es sich um eine einfache und kostengünstige – wenn auch mit Risiken behaftete – Beteiligungsform handelt. Relativ verbreitete Beteiligungsformen sind auch Genussscheine. Mitarbeiterdarlehen und indirekte Beteiligungen über verbundene Unternehmen, Genossenschafts- und GmbH-Anteile spielen dagegen zahlenmäßig eine eher geringe Rolle. Insgesamt nutzen gut zwei Millionen Arbeitnehmer in 3 750 Unternehmen gesellschafts- und schuldrechtliche Beteiligungsformen.
Der Gesetzentwurf orientiert sich an Vorschlägen der von den Koalitionsparteien eingesetzten Arbeitsgruppe und sieht im Einzelnen Folgendes vor:
1. Fördergrundsätze
a) Fortführung der bestehenden Mitarbeiterbeteiligungsmodelle
Die direkte Beteiligung der Mitarbeiter an ihren Unternehmen soll ausgebaut werden. Die bisher bestehenden Mitarbeiterbeteiligungsmodelle sollen jedoch aus steuerlicher Sicht Bestandsschutz genießen. Die vielfältigen Modelle, die sich in der Praxis der Unternehmen entwickelt haben, sollen deshalb bis einschließlich 2015 wie bisher gefördert werden.
b) Freiwilligkeit
Eine Beteiligung der Mitarbeiter an ihren Unternehmen muss auf dem Prinzip der Freiwilligkeit basieren. Es soll weder für die Unternehmen noch für die Beschäftigten einen -Zwang zur Teilnahme an Mitarbeiterbeteiligungen geben. Die Mitarbeiterkapitalbeteiligung soll nicht in Konkurrenz zur betrieblichen Altersversorgung und der privaten Altersvorsorge treten.
c) Gleichbehandlung aller Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer
Für die neuen Modelle der Mitarbeiterbeteiligung gilt der Grundsatz der Gleichbehandlung. Ein Angebot zur Beteiligung am Unternehmen muss daher grundsätzlich allen Beschäftigten des Unternehmens offenstehen.
d) Mehr Beratung und Erfahrungsaustausch
Bund und Länder sollen den Ausbau der Mitarbeiterbeteiligung durch ein Beratungsnetzwerk flankieren. Dabei kann unter anderem auf existierende Modelle zur Beratung und finanziellen Förderung von Mitarbeiterbeteiligungen in den Ländern und Regionen aufgebaut werden. Ebenfalls können der Erfahrungsaustausch und eigenständige Beratungsangebote von Arbeitgeber- und Arbeitnehmerorganisationen unterstützt werden. Schulungen für Unternehmen und Beschäftigte sollen den Umgang mit den verschiedenen Beteiligungsformen erleichtern.
2. Verbesserung der Förderung nach dem Fünften Vermögensbildungsgesetz (VermBG)
Die Arbeitnehmer-Sparzulage für vermögenswirksame Leistungen, die in betrieblichen oder außerbetrieblichen Beteiligungen angelegt werden, steigt von 18 Prozent auf 20 Prozent. Gleichzeitig wird die Einkommensgrenze für die Gewährung der Arbeitnehmer-Sparzulage bei der Anlage in Beteiligungen von 17 900 Euro/35 800 Euro (Ledige/zusammenveranlagte Ehegatten) auf 20 000 Euro/40 000 Euro erhöht. Die weiteren Vorschriften des Fünften Vermögensbildungsgesetzes bleiben unverändert. Damit wird der Kreis der Berechtigten maßvoll erweitert. Ziel ist auch die soziale Sicherung der Arbeitnehmer.
3. Stärkung der betrieblichen Mitarbeiterkapitalbeteiligung im Rahmen des neuen § 3 Nr. 39 Einkommensteuergesetz (EStG)
Der steuer- und abgabenfreie Höchstbetrag für die Überlassung von Mitarbeiterbeteiligungen am arbeitgebenden Unternehmen wird von 135 Euro auf 360 Euro unter Wegfall der Begrenzung auf den halben Wert der Beteiligung angehoben, wenn folgende Bedingungen erfüllt sind:
Die Vermögensbeteiligung muss zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn aus freiwilligen Leistungen des Arbeitgebers gewährt werden; die Vermögensbeteiligung darf nicht durch Entgeltumwandlung finanziert werden, also aus Lohnbestandteilen, auf die die Beschäftigten aufgrund eines Vertrages oder eines Tarifvertrages einen Rechtsanspruch haben.
Bei direkten Beteiligungen können sämtliche Rahmenbedingungen von der Höhe der Beteiligung, der Gewinn- und Verlustbeteiligung, Laufzeit/Sperrfristen, Kündigungsbedingungen, Informations- und Kontrollrechte, Verwaltung der Beteiligungen etc. frei verhandelt und vertraglich festgelegt werden. Das Angebot zur Beteiligung am Unternehmen muss allen Beschäftigten offen stehen. Es gilt der Grundsatz der Gleichbehandlung.
Es wird die Beteiligung am arbeitgebenden Unternehmen begünstigt. Dabei gilt jedes konzernzugehörige Unternehmen als arbeitgebendes Unternehmen. Bei Arbeitnehmern, die bereits heute einen Anspruch auf die unentgeltliche oder verbilligte Überlassung von Vermögensbeteiligungen haben, wird ein Bestandsschutz gewährt. Es bleibt insoweit -beim steuer- und abgabenfreien Vorteil von 135 Euro (§ 19a EStG in der geltenden Fassung ist weiter anzuwenden), wenn die Voraussetzungen der Neuregelung nicht erfüllt sind. Allerdings steht es den Beteiligten frei, ihre Vereinbarungen entsprechend anzupassen, um in Zukunft von der Neuregelung zu profitieren.
4. Einbeziehung von Fonds
Zusätzlich zur direkten Beteiligung sollen Beteiligungen über einen speziellen Fonds
-zum Beispiel für einzelne Branchen – gefördert werden. Bei diesen Fonds muss ein Rückfluss in die beteiligten Unternehmen in Höhe von 75 Prozent garantiert werden. Dies stärkt die Eigenkapitalausstattung der Unternehmen.
Die direkte Beteiligung und die Beteiligung über einen solchen speziellen Fonds werden in gleicher Höhe gefördert. Die Förderung einer Fondsbeteiligung übersteigt also nicht die Förderung einer direkten Beteiligung.
Das Ziel, einen Fonds zu schaffen, wird durch eine Änderung des Investmentgesetzes verwirklicht. Dazu werden Mitarbeiterbeteiligungsfonds als eigene identifizierbare Fondskategorie neu eingeführt. Diese werden anders als sonstige Fondskategorien nicht primär durch den Grundsatz der treuhänderischen Vermögensverwaltung charakterisiert, sondern durch die besondere Zwecksetzung des Fonds. Die Fonds werden von einer Kapitalanlagegesellschaft und somit von einem professionellen und lizenzierten Fondsmanager verwaltet. Die Fonds stehen unter der Aufsicht der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin). Die jeweilige Fondsgesellschaft wird gesetzlich verpflichtet, nach einer Anlaufphase von zwei Jahren 75 Prozent des Fondsvermögens in diejenigen Unternehmen zu investieren, deren Arbeitnehmer sich an dem Fonds beteiligen.
Die Beteiligung des Fonds an den Unternehmen erfolgt durch Erwerb beispielsweise von unverbrieften Darlehensforderungen wie Schuldscheinen (z. B. in Höhe von 50 Prozent des Fondsvermögens) und von nicht börsennotierten Unternehmensbeteiligungen und Wertpapieren in Höhe von 25 Prozent des Fondsvermögens. 25 Prozent des Fonds werden in Liquidität und fungiblen Vermögensgegenständen investiert, wie z. B. börsennotierte Aktien und Schuldverschreibungen sowie Geldmarktinstrumente. Bei der Anlage der Fondsmittel ist der Grundsatz der Risikomischung zu wahren. Die Anleger erhalten die Möglichkeit, ihre Anteile an die Kapitalanlagegesellschaft zum Rücknahmepreis zurückzugeben.
Um jedoch der eingeschränkten Liquidität der im Fonds befindlichen Vermögenswerte Rechnung zu tragen, erfolgt eine Rücknahme der Anteile höchstens einmal halbjährlich und mindestens einmal jährlich unter Einhaltung einer Rückgabefrist, die bis zu 24 Monate betragen kann. Die Anleger sind in den Verkaufsunterlagen über die Anlage in Mitarbeiterbeteiligungsfonds und die damit verbundenen Risiken sowie über die eingeschränkten Rückgabemöglichkeiten aufzuklären.