Straffung des Arbeitsgerichtsverfahrens seit 1.4.2008
Das Verfahren vor den Arbeitsgerichten soll einfacher, schneller und bürgerfreundlicher gestaltet werden. Das ab dem 01.04.2008 geltende Gesetz zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes greift Anregungen aus der arbeitsgerichtlichen Praxis auf. Das Gesetz führt zu wesentlichen Änderungen in den arbeitsgerichtlichen Verfahren.
Schaffung eines neuen Gerichtsstandes des „Arbeitsortes“
Die Regelungen der örtlichen Zuständigkeit des Arbeitsgerichts werden um den besonderen Gerichtsstand des Arbeitsortes ergänzt. Demnach ist für Streitigkeiten im Urteilsverfahren auch das Arbeitsgericht zuständig, in dessen Bezirk der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichtet oder zuletzt gewöhnlich verrichtet hat. Ist ein gewöhnlicher Arbeitsort nicht feststellbar, ist dasjenige Arbeitsgericht örtlich zuständig, von dessen Bezirk aus der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichtet oder zuletzt gewöhnlich verrichtet hat.
Dieser Gerichtsstand soll vor allem den Arbeitnehmern zu Gute kommen, die Ihre Arbeit gewöhnlich nicht am Firmensitz oder am Ort der Niederlassung leisten, etwa Außendienstmitarbeiter. Unerheblich ist dabei, ob an dem Ort der Arbeitsleistung eine stationärer Betrieb des Arbeitgebers besteht, von wo aus Arbeitsanweisungen erteilt werden oder wo die Zahlung der Vergütung veranlasst wird. Allein maßgeblich ist nur noch der Ort, an dem der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung tatsächlich erbringt.
Ausweitung der Alleinentscheidungsbefugnis des Berufsrichters
Kammern der Arbeitsgerichtsbarkeit bestehen aus ehrenamtlichen Richtern und einem Berufsrichter als Vorsitzender. Eine Beschleunigung arbeitsgerichtlicher Verfahren soll vor allem durch eine Erweiterung der Alleinentscheidungsbefugnis des Vorsitzenden erreicht werden. Dort, wo eine Beteiligung der ehrenamtlichen Richter sachlich nicht geboten ist, soll der Vorsitzende allein entscheiden können, soweit eine mündliche Verhandlung der Parteien vor dem Gericht nicht erforderlich ist, also bei:
- Verwerfungen eines unzulässigen Einspruchs gegen ein Versäumnisurteil oder einen Vollstreckungsbescheid;
- Entscheidungen über die Gerichtskosten, wenn nur noch über sie zu entscheiden ist;
- Berichtigungen des Tatbestandes arbeitsgerichtlicher Urteile, die zwischen den Parteien unstreitig sind, und wenn eine mündliche Verhandlung nicht beantragt wurde.
In den Berufungs- und Beschwerdeverfahren an den Landesarbeitsgerichten wird die Alleinentscheidungsbefugnis des Vorsitzenden ebenfalls ausgeweitet, und zwar auf die
- Verwerfung einer unzulässigen Berufung ohne mündliche Verhandlung
- Verwerfung einer unzulässigen Beschwerde im Beschlussverfahren ohne mündliche Verhandlung.
Bei einem drohenden, nicht zu ersetzenden Nachteil für den Vollstreckungsschuldner darf die Einstellung der Zwangsvollstreckung ohne Sicherheitsleistung durch unanfechtbaren Beschluss erfolgen, wenn das Verfahren noch fortgesetzt wird, aus welchem der Schuldtitel erwachsen ist oder ein Rechtsmittel oder ein Einspruch des Schuldners gegen ein vorläufig vollstreckbares Urteil eingelegt wurde
Weitere Änderungen
Bei einem Einspruch gegen einen Vollstreckungsbescheid hat das Gericht von Amts wegen zu prüfen hat, ob der Einspruch an sich statthaft und ob er in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt ist. Fehlt es an einem dieser Erfordernisse, ist der Einspruch als unzulässig zu verwerfen. Ist der Einspruch zulässig, hat die Geschäftsstelle dem Antragsteller unverzüglich aufzugeben, seinen Anspruch binnen zwei Wochen schriftlich zu begründen, nach Ablauf dieser Frist bestimmt der Vorsitzende unverzüglich Termin zur mündlichen Verhandlung.
Die persönlichen Voraussetzungen für die Berufung als ehrenamtlicher Richter werden erweitert: Künftig können außer den im Gerichtsbezirk als Arbeitnehmer oder Arbeitgeber berufstätigen Personen auch Arbeitnehmer und Arbeitgeber als ehrenamtliche Richter berufen werden, die im Gerichtsbezirk nur ihren Wohnsitz haben
Geändertes Verfahren der nachträglichen Zulassung von Kündigungsschutzklagen
Nach geltendem Recht muss ein Arbeitnehmer innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung Klage vor dem zuständigen Arbeitsgericht erheben, andernfalls gilt die Kündigung als von Anfang an rechtswirksam. Hat der Arbeitnehmer die Klagefrist unverschuldet versäumt, kann er nach geltendem Recht beantragen, die Kündigungsschutzklage nachträglich zuzulassen. Über diesen Antrag musste das Arbeitsgericht bisher in einem gesonderten Zwischenverfahren entscheiden.
Das Verfahren wird nun gestrafft. Künftig ist das Verfahren über den Antrag auf nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage mit der Kündigungsschutzklage selbst zu verbinden. Das Arbeitsgericht kann das Verfahren jedoch zunächst auf die Verhandlung und Entscheidung über den Antrag auf nachträgliche Klagezulassung beschränken. In diesem Fall ergeht die Entscheidung durch Zwischenurteil, das wie ein Endurteil angefochten werden kann. Bei Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung ist damit auch die Revision zum Bundesarbeitsgericht eröffnet.
Das Landesarbeitsgericht kann zukünftig selbst über den Antrag auf nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage entscheiden, wenn der Antrag erstmals beim Landesarbeitsgericht gestellt wird oder das Arbeitsgericht darüber nicht entschieden hat. Einer Zurückweisung an das Arbeitsgericht bedarf es nicht mehr.