Ansprüche wegen „Mobbing“
Erstmals hat sich das Bundesarbeitsgericht mit Schadensersatzansprüchen wegen sogenannten „mobbings“ befasst. Der 8. Senat des Gerichts hat die Urteile der Vorinstanzen aufgehoben und den Rechtsstreit wieder an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen, weil beide Instanzen in ungerechtfertigter Weise einen Schadensersatzanspruch wegen „mobbings“ verneint hatten. Zutreffend wird „mobbing“ eigentlich von den Arbeitsrechtlern sehr vorsichtig, besser: eher skeptisch, behandelt.
Ein Oberarzt war seit Juli 1987 in einer Klinik als Neurochirurg beschäftigt. Seit dem 1.Juli 1990 ist er Erster Oberarzt der Neurochirurgischen Abteilung und ab Anfang 2001 war er deren kommissarischer Leiter. Seine Bewerbung um die Chefarztstelle blieb erfolglos. Ab 1.Oktober 2001 bestellte das Krankenhaus einen externen Bewerber zum Chefarzt, von dem sich der Erste Oberarzt seit Mai 2002 „gemobbt” fühlte. Ein vom Krankenhaus in die Wege geleitetes „Konfliktlösungsverfahren” blieb erfolglos. Von November 2003 bis Juli 2004 war der Oberarzt wegen einer psychischen Erkrankung arbeitsunfähig. Seit Oktober 2004 ist er erneut krank. Der Oberarzt hat verlangt, dass der Krankenhausträger das Anstellungsverhältnis mit dem Chefarzt beendet, hilfsweise, dass man ihm einen anderen gleichwertigen Arbeitsplatz anbietet, an dem er Weisungen des Chefarztes der Neurochirurgie nicht unterliegt. Außerdem verlangt er Schmerzensgeld. Er meint, die Klinik hafte dafür, dass der Chefarzt sein Persönlichkeitsrecht verletzt habe. Die Arbeitgeberin bestreitet „Mobbinghandlungen” des Chefarztes. Sie habe alles in ihrer Macht Stehende getan, um das Verhältnis zwischen Oberarzt und Chefarzt zu entspannen. Eine andere adäquate Tätigkeit sei nicht vorhanden.
Das Arbeitsgericht hat die Klage des Oberarztes abgewiesen. Die Berufung des Oberarztes blieb erfolglos. Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, der Chefarzt habe „mobbingtypische Verhaltensweisen” gezeigt, die sowohl den zwischenmenschlichen Umgang als auch die Respektierung der Position als Erster Oberarzt betroffen hätten. Dennoch hat es einen Schmerzensgeldanspruch verneint, weil der Chefarzt nicht habe erkennen können, dass der Kläger auf Grund der Auseinandersetzungen psychisch erkranken werde.
Das Bundesarbeitsgericht hingegen meint grundsätzlich: Ein Oberarzt, der durch den Chefarzt seiner Abteilung in seiner fachlichen Qualifikation herabgewürdigt wird und deshalb psychisch erkrankt, hat gegen seinen Arbeitgeber Anspruch auf Schmerzensgeld. Die Entlassung des Chefarztes kann er im Regelfall nicht verlangen. Anspruch auf das Angebot eines gleichwertigen Arbeitsplatzes, an dem er nicht mehr den Weisungen des bisherigen Chefarztes untersteht, hat der Oberarzt nur dann, wenn ein solcher Arbeitsplatz in der Klinik vorhanden ist. Da der Chefarzt im konkreten Fall die psychische Erkrankung des Oberarztes schuldhaft herbeigeführt habe müsse für den Schmerzensgeldanspruch auch der gemeinsame Arbeitgeber einstehen, da der Chefarzt sein Erfüllungsgehilfe sei. Über die Höhe des Schmerzensgeldes muss das Landesarbeitsgericht entscheiden. Auch ist noch zu prüfen, ob der Oberarzt unmittelbar Ansprüche gegen das Krankenhaus hat, weil die Arbeitgeberin möglicherweise ihre Verpflichtung verletzt hat, ihn vor gesundheitlichen Beeinträchtigungen am Arbeitsplatz zu schützen.
Kommentar: Es bleibt aus unserer Sicht dabei: Ansprüche wegen „mobbings“ gegen den Arbeitgeber sind nur bei einer eindeutigen Beweislage möglich. Vermutungen und Unterstellungen reichen nicht, so plausibel sie auch erscheinen mögen. Der Geschädigte muss den Vorsatz des Täters und dessen Mobbinghandlungen präzise beweisen können und scheitert daran regelmässig. Mobbing, dass man beweisen kann ist schon eigentlich gar keines mehr. Üblicherweise wurden Mobbingklagen von den Gerichten als unschlüssig abgewiesen. Die nunmehr vorliegende Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts ist wohl der Professionalität des klagenden Oberarztes geschuldet, einen Schaden und seine Ursachen zu beweisen.
Etwas anderes gilt bei Diskriminierungen aus Gründen der Rasse, der ethnischen Herkunft, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität. In diesen Fällen muss der Benachteilgte nur einen Indizienbeweis erbringen, Sachverhalte also, nach denen die Vermutung für eine Diskriminierung schlüssig ist. Es ist dann Sache des Arbeitgebers, den Beweis zu erbringen, dass kein Verstoss gegen geschützte Rechtsgüter vorgelegen hat.
Siehe auch: https://www.arbeitsadvo.de/stichworte/mobbing/