Vertragliche Bezugnahme auf einen Tarifvertrag „in der jeweils geltenden Fassung“
Tarifverträge gelten unmittelbar und zwingend nur zwischen Mitgliedern von Tarifvertragsparteien. Ist der Arbeitnehmer Gewerkschaftsmitglied und der Arbeitgeber in einem Arbeitgeberverband, gelten die Tarifvertragsregelungen zwischen diesen Arbeitsvertragsparteien als Mindeststandard, wenn Gewerkschaft und Arbeitgeberverband einen Tarifvertrag geschlossen haben, oder der Arbeitgeber sogar selbst einen Tarifvertrag mit der Gewerkschaft geschlossen hat.
In vielen Betrieben wird es aber als ein Problem angesehen, wenn verschiedene Normen auf dieselben Arbeitsverhältnisse angewendet werden müssen, weil nicht alle Mitarbeiter Gewerkschaftler sind. Deswegen wird mit den Nichtorganisierten häufig im Arbeitsvertrag folgendes oder ähnliches zusätzlich vereinbart: “ Es gelten die Tarifverträge der XYZ-Branche in der jeweils gültigen Fassung.“ Dieses führt zum einheitlichen Standard bei der Lohn- und Leistungsabrechnung.
Problematisch werden die Verweisungsklauseln auf einen Tarifvertrag aber dann, wenn die Tarifbindung des Arbeitgebers wegfällt, weil er beispielsweise aus dem Arbeitgeberverband ausgetreten ist oder der Betrieb -etwa wegen Konzernwechsels- sachlich einem anderen Tarifvertrag unterliegt. Für Gewerkschaftsmitglieder läuft die unmittelbare und zwingende Wirkung aus und der alte Tarifvertrag wirkt allenfalls nach. Die Nichtorganisierten haben aber noch in ihrem Arbeitsvertrag stehen: „Es gelten die Normen des XYZ- Tarifvertrages in seiner jeweils gültigen Fassung.“ Das ist eine persönliche vertragliche Bindung, aus welcher der Arbeitgeber gegen den Willen des Arbeitnehmers sich nicht lösen kann; das Kündigungsrecht wäre ihm auch keine Hilfe.
Bisher hat die Rechtsprechung diese Verweisungsklauseln ausgelegt, sie seien blosse Gleichstellungsabreden und sie entfallen mit der Tarifbindung des Arbeitgebers. Durch diese Vertragsnormen solle lediglich erreicht werden, dass die nicht gewerkschaftlich organisierten Arbeitnehmer ebenso behandelt werden wie Arbeitnehmer. Eine Verweisung auf einen Tarifvertrag oder ein Tarifwerk „in der jeweils geltenden Fassung“ habe einen derart beschränkten Regelungsgehalt, dass die vereinbarte Dynamik durch den Wegfall der Tarifgebundenheit des Arbeitgebers aufgelöst wird.
Bei Arbeitsverträgen ab dem 1.1.2002 will die Rechtsprechung aber genauer hinschauen. So ohne weiteres soll nicht mehr von eine blossen Gleichstellung ausgegangen werden. Eine Gleichstellungsabrede sei nur dann anzunehmen, wenn es hierfür aus Vertragswortlaut und/oder Begleitumständen bei Vertragsschluss hinreichende Anhaltspunkte gibt.
In seinem Urteil vom 18. April 2007 hat der 4. Senat des Bundesarbeitsgerichts seine Ankündigung umgesetzt. In einem bereits länger andauernden Arbeitsverhältnis war im Mai 2002 ein schriftlicher Arbeitsvertrag geschlossen worden, der auf den einschlägigen Tarifvertrag in der jeweils geltenden Fassung verwies. Der Senat hat die Arbeitgeberin, die danach aus dem tarifschließenden Verband ausgetreten war, für verpflichtet gehalten, auch nach ihrem Austritt abgeschlossene Änderungstarifverträge gegenüber der Arbeitnehmerin weiterhin arbeitsvertraglich anzuwenden. Es gab aus dem Vertragswortlaut und den Umständen bei Vertragsschluss keine Anhaltspunkte für einen Willen der Vertragsparteien, dass es nur um eine Gleichstellung nicht organisierter mit organisierten Arbeitnehmern gehen sollte.
Praxistipp: Es bedarf also zukünftig zur Gleichstellung in der Lohnbuchhaltung zwischen Gewerkschaftsmitgliedern und ungebundenen Arbeitnehmern einer genaueren Regelung in den Arbeitsverträgen mit den nichtorganisierten Arbeitnehmern als es eine einfache dynamische Verweisungsklausel leisten kann. Andernfalls droht im Falle des Tarifwechsels genau das umgekehrt, was man eigentlich vermeiden wollte: Jetzt sind die Nichtorganisierten qua Arbeitsvertrag an einen bestimmten Tarifvertrag gebunden, aber die Gewerkschaftsmitglieder daran nicht mehr oder an einen anderen. Die Frage des Tarifwechsels oder des Tarifentfalls des Arbeitgebers muss also zukünftig detailliert im jeweiligen Arbeitsvertrag geregelt werden.