Rechtsschutzversicherung beim Aufhebungsvertrag
Stark gemacht für die Rechte des Versicherungsnehmers im Arbeitsrecht hat sich das OLG Saarbrücken. Entgegen der Auffassung der Rechtsschutzversicherung und verschiedener anderer Gerichte hat es einem rechtsschutzversicherten Arbeitnehmer Versicherungsleistungen zugesprochen, der seinen Rechtsanwalt mit der Vertretung bei Aufhebungsvertragsverhandlungen beauftragt hatte.
Im August 2004 wurde einem Vertriebsleiter von der Geschäftsleitung eröffnet, seine Stelle werde zum 1.2.2005 ersatzlos gestrichen und von anderen Direktoren übernommen. Zugleich wurde ihm ein erster Entwurf eines Aufhebungsvertrages vorgelegt. Er beauftragte einen Rechtsanwalt mit den Vertragsverhandlungen, welcher die Verhandlungen erfolgreich bis zum Abschluss führte. Die unterschriebene Urkunde wies erhebliche Änderungen zum ersten Angebot auf und in der Präambel wurde ergänzend klargestellt, dass die Arbeitgeberin aus betriebsbedingten Gründen zum Personalabbau gezwungen sei und in diesem Zusamenhang die Stelle des Arbeitnehmers wegfalle.
Gegen die Übernahme der Rechtsanwaltskosten wandte die Rechtsschutzversicherung ein, dass allein das Angebot eines Aufhebungsvertrages, aber auch die blosse Androhung der betriebsbedingten Kündigung den Versicherungsfall nicht ausgelöst habe. Im Übrigen seien in den Aufhebungsvertrag Positionen eingeflossen, die nicht im Streit gewesen seien und es habe ein Verhandlungsspielraum bestanden, so dass es auch insoweit an einem Rechtsschutzfall fehle. Tatsächlich gilt nach den gebräuchlichen Allgemeinen Rechtsschutzversicherungsbestimmungen, dass ein Anspruch auf Versicherungsleistungen erst nach Eintritt des Versicherungsfalles besteht und ein Versicherungsfall ergibt sich erst dann, wenn ein anderer einen Verstoss gegen Rechtsvorschriften zum Nachteil des Versicherungsnehmers begangen hat.
Die bisherige juristische Literatur und Rechtsprechung hat sich überwiegend auf die Seite der Rechtsschutzversicherungen gestellt und die Auffassung vertreten, dass das Angebot des Arbeitgebers auf Abschluss eines Aufhebungsvertrages keinen Rechtsverstoss darstellt und das blosse Aushandeln einer Abfindungsvereinbarung und die Einholung anwaltlicher Hilfe hierfür von der Rechtsschutzversicherung nicht umfasst sind. Auch in der Androhung einer betriebsbedingten Kündigung, falls es nicht zum Aufhebungsvertrag komme, liegt demnach noch kein Rechtsverstoss seitens des Arbeitgebers. Erst die Kündigung selbst lässt nach dieser Auffassung den Versicherungsschutz erwachsen. Vorher löst die Androhung einer betriebsbedingten Kündigung für den Fall des Nichtzustandekommens des Aufhebungsvertrages den Versicherungsfall nicht aus, weil es an einem Verstoss gegen Rechtspflichten fehlt.
Anders sieht es jetzt das OLG Saarbrücken in seinem Urteil vom 19.07.2006. Für einen den Rechtsschutzfall auslösenden Verstoss genüge jeder tatsächliche, objektiv feststellbare Vorgang, der die Anbahnung eines Rechtskonflikts in sich trage; der Rechtsstreit sei dann jedenfalls latent vorhanden und damit gewissermassen „vorprogrammiert“. Dies sei nicht nur bei der Androhung einer verhaltensbedingten, sondern auch bei der Androhung einer betriebsbedingten Kündigung zweifellos der Fall. Der Arbeitgeber bringe zum Ausdruck, dass er an seinen durch den Arbeitsvertrag begründeten Pflichten nicht mehr länger festhalten wolle. Das gelte besonders wenn das Vertragsangebot mit der Ankündigung einer gerichtlich überprüfbaren betriebsbedingten Kündigung erfolge, falls der Arbeitnehmer ablehne. Auch hinsichtlich des Umfanges der Vereinbarungen des Aufhebungsvertrages sieht das OLG Saarbrücken einen Rechtsschutzfall als gegeben an. Seiner Ansicht nach erstreckt sich die notwendige und gebotene interessenwahrnehmung gerade auch darauf, insgesamt günstige Möglichkeiten für die Aufhebung des Arbeitsverhältnisses auszuhandeln. Von daher sei es ohne Belang, wenn in einen Aufhebungsvertrag Positionen einfliessen, die nicht im Streit gewesen sind.
Kommentar: Das Urteil des OLG Saarbrücken stellt eine erhebliche Entlastung der Versicherungsnehmer im Arbeitsrecht dar. Es ist heute bei Personalabbau allgemein üblich, zunächst das Gespräch mit dem Arbeitnehmer zu suchen, ob man sich nicht einvernehmlich trennen kann und wie das Arbeitsverhältnis dann am Besten abgewickelt werden soll. Der nun entstehende Beratungsbedarf des Arbeitnehmers darf nicht vom Versicherungsvertrag ungedeckt sein. Die Versicherungsnehmer sind davon in der Regel überrrascht. Die von den Rechtsschutzversicherungen gesehene Alternative bedeutet nämlich, dass nur der schliesslich gekündigte Arbeitnehmer versichert ist. Das Kind muss erst in den Brunnen gefallen sein. Das treibt aber die Kündigungen vor die Gerichte und macht die Abwicklung des Arbeitsverhältnisses umständlicher und noch teurer.